Paris-Roubaix-Challenge: das ist die Hobbysport-Version des bekanntesten Radsport-Klassikers der Welt. 172 Kilometer, 29 Pavé-Sektoren, Schmerzen garantiert
Sterne sind faszinierend. Friedlich schweben sie nachts im dunkelblauen Nichts. Je mehr man von ihnen sieht, desto schöner sind sie. Das dachte ich zumindest bis zur Paris-Roubaix-Challenge. Dort stehen sie zu fünft nebeneinander auf einem Schild und kündigen den nächsten Kopfsteinpflaster-Abschnitt an. Je mehr Sterne auf dem Banner stehen, desto schlimmer ist der Zustand des Pflasters – des Pavés.
Die Folge: verkrampfte Unterarme, vor Schmerzen deformierte Gesichter überall – meines inklusive. Carrefour de l’Arbre heißt der Sektor, der mir kurz vor dem Ende der Challenge noch einmal alles abverlangt. Er ist einer von zwei Sektoren mit der höchsten Schwierigkeitsstufe bei Paris-Roubaix, der Königin aller Radsport-Klassiker. Das Rennen, das man entweder hasst oder liebt. Das Rennen, das härter, schlimmer und schöner als jedes andere ist.
172 Kilometer – das sind die drei verschiedenen Distanzen, zwischen denen man bei der Paris-Roubaix-Challenge wählen kann. Bei der längsten Strecke fährt man den Original-Teil des Profirennens und muss damit alle Kopfsteinpflaster-Sektoren absolvieren. Lediglich die rund 90 Kilometer lange asphaltierte Anfahrt bis zur ersten Pavé-Passage bleibt den Jedermann- und Hobbyfahrern erspart.
Bei der Paris-Roubaix-Challenge existiert keine genaue Startzeit, sondern eine Start-Zeitspanne.
Von 7 Uhr bis 9 Uhr kann man auf die Strecke. So entzerrt sich das Teilnehmerfeld, das Gefahrenpotential wird minimiert. Wie wichtig das ist, zeigt sich schon nach elf Kilometern auf dem ersten Pavé. Auf den schmalen Straßen wird es eng, das Manövrieren auf dem Pflaster ist schwierig und die Ideallinie will sowieso niemand verlassen. Bei der Ideallinie handelt es sich dabei um einen 20 Zentimeter breiten Ackerstreifen, der entweder links oder rechts neben den Cobbles wenigstens etwas Pause von den Schlägen und den Schmerzen bringt. Noch nie habe ich mich so darüber gefreut, mit dem Rennrad auf einem braunen, dreckigen, festgetretenen Erdstreifen zu fahren wie bei der Paris-Roubaix-Challenge. Man lernt die einfachen Dinge zu schätzen.
Je länger das Rennen dauert, desto schlimmer wird das Gefühl auf dem Pflaster. Zwischen den Sektoren hat man gerade einmal vier, fünf, manchmal zehn Kilometer Pause. Zu wenig, um sich zu erholen. Irgendwann vergehen die Schmerzen im Nacken, im Rücken, in den Gelenken, eigentlich im ganzen Körper nicht mehr. Und dann kommt schon wieder das nächste Banner mit Sternen darauf. Erbarmungslos. Endlos.
Die Pflastersteine werden von den Anwohnern liebevoll „Würfelzucker“ genannt, weil sie kantig sind. Die runde Version heißt „Melone“. Süß ist daran aber gar nichts. Darauf zu fahren ist anstrengender als jeder Berg. Und macht eigentlich keinen Spaß. Vor allem dann nicht, wenn die Geräusche des Rads hinzukommen. Es kracht, vibriert und knarzt. Materialschonend ist anders. Auf einem Pavet hat es auch meine Bremse zerlegt. Die Schraube hat sich einfach losgerüttelt.
Wir sind gemeinsam durch die Hölle gefahren, haben sie überlebt und biegen nach 172 Kilometern nebeneinander in das Velodrom von Roubaix ein. Es ist ein magischer Moment.