Nizza war der Startschuss in den Langdistanz Triathlon. Auf der Suche nach dem WARUM hat uns Lone Köhler im Nachgang interviewt.
[Quelle Lone Köhler im Interview im Format Direkter Draht im Nachgang mit uns]
Boxkampf und Wadenkrampf
Gut 226 Kilometer, 2330 Höhenmeter, 2600 Menschen und gefühlte 38 Grad – das ist der Ironman-Triathlon in Nizza in Zahlen. Durch den zeitgleichen Start der 2600 Teilnehmer, gleicht die 3,8 Kilometer lange Schwimmstrecke einem Boxkampf, die 2330 Höhenmeter mit dem Fahrrad zu erklimmen, provoziert schnell einen Wadenkrampf und ein abschließender Marathon sorgt endgültig für die totale Erschöpfung.
Der Ironman in Nizza ist eine der herausforderndsten Triathlon-Langdistanzen der Welt. Die Schwimmstrecke im offenen Meer, das Höhenprofil der Radstrecke und nicht zuletzt das Klima sind verantwortlich für die höchste Abbruchquote (25%) bei einem Ironman. Andreas Zaun und Benedikt Schreiner haben sich dieser körperlichen und mentalen Herausforderung gestellt und berichten über ihre ganz besondere Grenzerfahrung.
Direkter Draht: Vor anderthalb Wochen war Euer großer Tag. Was kommt Euch als erstes in den Sinn, wenn Ihr daran zurück denkt?
Andreas Zaun: Die 12 Stunden kommen mir heute wie im Zeitraffer vor. An den Zieleinlauf erinnere ich mich aber sehr gut. Meine beiden Jungs haben mich in der Einlaufzone in Empfang genommen und durften die letzten Meter mit mir zusammen durch das Ziel laufen – das war schon ein besonderer Moment. Ansonsten hab ich die Schwimmstrecke noch gut in Erinnerung: gefühlt war das ein Boxkampf, der über 3,8 Kilometer ging!
Benedikt Schreiner: Rückblickend ist die Zeit des Wettkampfes auch aus meiner Sicht wahnsinnig schnell rum gegangen. Davor fragt man sich noch, wie man die 11 oder 12 Stunden Höchstleistung schaffen soll und dann geht alles doch so schnell. Es hat aber auch vier bis fünf Tage gedauert, bis ich realisiert habe, dass ich es geschafft habe. Eine schöne Erinnerung während des Marathons waren die Zuschauer, die den Läufern auf der Strecke unaufhörlich „Courage!“ oder „Allez!“ zuriefen – das hat auf den letzten Metern nochmal unheimlich motiviert.
DD: Was ist Eure bewegendste Erinnerung?
AZ: Nervenaufreibend war das Gefühl, dass ich die falsche Strecke beim Radfahren genommen habe. Ich war alleine auf der Straße und sah andere Fahrer weiter oben. Die Streckenposten riefen mir „à droit!“ zu – also rechts lang. Die anderen Fahrer sah ich aber eher linker Hand. Ich entschloss mich also, auch links zu fahren. Nach 20 Minuten und einigen Überlegung, ob Umkehren eine Option wäre, habe ich endlich realisiert, dass ich doch richtig war! Allein die Vorstellung, den Ironman nicht zu schaffen, weil ich mich verfahren hatte, war fürchterlich. Ganz zu schweigen von den Sprüchen, die ich mir biszum Lebensende hätte anhören müssen!
BS: Meine bewegendste Erinnerung bezieht sich nicht auf den Wettkampf selbst, sondern auf einen Moment danach: Als wir abends mit dem ganzen Trupp im Restaurant waren, kam eine Frau auf mich zu und fragte, ob ich den Ironman gemacht habe. Ich bejahte die Frage, worauf hin sie mich herzlich beglückwünschte. Da habe ich realisiert, dass es doch außergewöhnlich war, was man da geleistet hat. Und zu erkennen, dass man wildfremdeMenschen so bewegt, dass sie einem gratulieren, das war schon ein toller Moment!
DD: Wie kam es zu dem Entschluss, ein Ironman werden zu wollen?
BS: Das ganze fing eigentlich damit an, dass Andreas nach seinem ersten Triathlon gesagt hat: „Olympiadistanz ist doch schnulli!“. Da ist der Ironman ja die logische Konsequenz und ich habe mich anstecken lassen.
AZ: Ja, das war damals leicht gesagt! Ich habe eine „Lebens-ToDo-Liste“, auf der stehen so um die fünfzig Dinge, die ich in meinem Leben mal gemacht haben will. Ein Punkt davon ist der Ironman und da stellte sich die Frage: Warum eigentlich nicht jetzt?
BS: Es geht auch um die Herausforderung etwas zu machen, was nicht alle können. Klar kann jeder hart und lange für etwas trainieren, aber es gehört auch immer eine Auseinandersetzung mit Geist und Körper dazu. Und natürlich ein Trainingspartner, mit dem man das Ziel verfolgen kann und der alles mit einem durchsteht.
DD: Wie und wie lange habt Ihr Euch vorbereitet?
AZ: Ich habe mich neun Monate gezielt vorbereitet, hatte ja aber schon eine gewisse Grundfitness.
BS: Bei mir waren es ebenfalls 9 Monate. Die Hälfte davon besteht aber darin das Trainieren zu trainieren. Das heißt, es gilt so fit zu werden, dass man die langen und ausdauernden Trainingseinheiten für den Ironman überhaupt absolvieren kann. Daneben muss man sich neben der körperlichen Fitness auch ernährungstechnisch und mental vorbereiten. Ich bin zur mentalen Vorbereitung zum Beispiel den Hamburg-Marathon gelaufen, um diese Erfahrung vor dem Ironman gemacht zu haben.
AZ: Insgesamt sind wir in den letzten neun Monaten jeder 120 Kilometer geschwommen, 4000 Kilometer Rad gefahren waren 1500 Kilometer laufen. Angefangen haben wir mit sechs bis acht Stunden in der Woche und ab März waren es dann schon so um die 20 Stunden.
DD: Wie habt Ihr es geschafft, das Trainingspensum mit Beruf, Familie und Freunden unter einen Hut zu bringen?
AZ: Ich habe meine Familie und Freunde frühzeitig eingebunden und hatte vollen Rückhalt. Das Training muss man dann so legen, dass man morgens vor der Arbeit trainieren geht, oder abends, wenn die Kinder im Bett sind. Die letzten Urlaube sind auch für das Training draufgegangen. Dass Entbehrungen dazu gehören, muss einem bewusst sein und natürlich funktioniert das nur, wenn die Familie auch dahinter steht.
BS: Mir war klar, dass jede freie Minute für das Training draufgehen wird. Zum Glück ist meine Freundin auch begeisterte Triathletin und somit ist die Akzeptanz für den Sport natürlich da. Es gehört aber auch enorm viel Organisation dazu, alles unter einen Hut zu bringen.
AZ: Teilweise kann man das Training auch ganz gut in den Alltag integrieren. Zum Beispiel kommen meine Kinder manchmal mit zum Schwimmen. Viel schwerer wiegt aus meiner Sicht der finanzielle Aspekt – der ist definitiv nicht zu unterschätzen.
BS: Dem stimme ich zu! Man sollte sich schon bewusst sein, wie teuer alles ist. Angefangen bei mehreren Paaren Laufschuhe, die man durchläuft, über die Fahrräder bis hin zu Trainings-Urlauben.
DD: Was ist das nächste sportliche Ziel?
AZ: Am 24. August nehme ich am Ötztaler-Radmarathon teil – eine Alpenüberquerung per Rad über 238 Kilometer und 5500 Höhenmeter.
BS: Ich mache noch ein, zwei Triathlons dieses Jahr. Und auch wenn ich gesagt habe, ich mache es nie wieder: noch ein Ironman ist schon reizvoll. Konkret liebäugle ich mit einem halben Ironman, der im September auf Lanzarote stattfindet.
DD:Vielen Dank und weiterhin viel sportlichen Erfolg!
Meine Zielzeit: 12:02:36 (01:11:44, 06:13:21, 04:25:50) Platz 249 AK
Einen weiteren Artikel über unseren Ironman in Nizza kann man hier nachlesen. (Gila Thieleke mit Fragen zu unserer Motivation aus dem Jahr 2012)